Bewusstsein, Interview MANISH Körper und innerer Raum

Bewusstsein, Körper und innerer Raum

Was bedeutet für dich “Zuhause” zu sein?
Für mich bedeutet es, dass du dein Inneres entdeckt hast und mit deinem Inneren verbunden bist. Ich hatte immer das Bild, dass der Körper ein Haus ist. Und ich bin das Innere und der leere Raum in diesem Haus. Es gibt ein Zentrum in diesem Haus, einen großen Raum und in der Mitte dieses Raumes ist mein Zentrum. Es ist unsichtbar, aber es existiert. Dieses Innere kann man auch als „Bewusstsein“ bezeichnen.

Mein Körper ist letztlich nichts als ein Fahrzeug, um mich durch Raum und Zeit zu bewegen. Und neben dem Körper gibt es das Außen. Für mich sind Verstand und Ego die Außenmauern des Hauses. Das, was man den anderen von sich zeigt und was man bei den anderen von außen sieht.

Für die meisten Menschen ist es doch so, dass es Orte und Menschen gibt, wo sich ihr Körper entspannt und gut anfühlt, und andere Orte, die mit Spannung verbunden sind. Gibt es also nicht auch eine Wechselwirkung zwischen Innen und Außen?
Ja, natürlich: Mein Körper reagiert auf den Kontakt mit anderen. Er reagiert auf deren Energie, auf deren Aura. Und wenn ich zu sehr vom Außen eingenommen bin, werde ich ganz von dieser Ebene vereinnahmt. Aber im meinem Inneren spielt das keine Rolle. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es im Außen kein Problem gibt, wenn ich mit meinem Inneren in Harmonie bin.

Also könntest du dich auch in einer Gefängniszelle zuhause fühlen?
Zum Beispiel.

Wirklich?
Es gibt da das Beispiel eines Mannes, der aus einer ganz unspirituellen Welt kam. Der amerikanische Boxer Hurricane, den Bob Dylan in einem Lied besungen hat. Er saß jahrelang unschuldig im Gefängnis und irgendwann hat er „Stopp“ gesagt: „Ich bin im Gefängnis, aber in meinem Inneren bin ich frei. Ich werde alles dafür tun, dass auch mein Körper freikommt, aber innerlich bin ich frei! Nur mein Körper hat ein Problem mit dem Gefängnis.“

Ich fand das sehr bemerkenswert, dass ein Mann aus einer ganz unspirituellen Welt an diesen Punkt kam – und ich glaube, dass das häufiger passiert. Natürlich hoffe ich, dass ich niemals ins Gefängnis komme – aber ist nicht auch die Gesellschaft manchmal ein Gefängnis? Mit all ihren Konventionen und Zwängen? Doch wenn man wirklich in seinem Inneren ist, hat das alles keine Bedeutung mehr.

Ist es umgekehrt nicht auch so, dass ein schönes Außen den Zugang nach innen erleichtern kann. Für viele ist es zum Beispiel viel leichter, in Kontakt mit sich selbst zu kommen, wenn sie in der Natur sind. Zum Beispiel in den Bergen oder am Meer…
Das ist auf jeden Fall so. Ich habe das bemerkt, als ich vom Land aus dem Süden nach Paris kam, um dort zu arbeiten. Unterwegs im Zug oder in der Metro spürte ich, wie sehr mich die angespannte Energie der Leute störte. Ich spürte diese Spannung dann auch in mir. Doch nach und nach habe ich gelernt, auch in dieser Spannung zu meditieren. Das war eine ganz wichtige Erfahrung, denn vorher habe ich mir für meine Meditation immer einen ruhigen und schönen Ort gesucht. Ich habe auf diesen Reisen im Zug gelernt, auch im Chaos und im Krach zu meditieren. Aber natürlich gibt es auch Momente, wo ich im Außen meinen inneren Platz verliere. Verstand und Ego ziehen mich nach außen in einen Raum, den ich nicht steuern kann. Wenn ich mir dessen bewusst werde, ist es meine Verantwortung, den inneren Raum wiederzufinden.

Was hilft dir dabei, nach innen zu gehen?
Das ist eine ganz einfache Technik: Ich werde mir meines Körpers bewusst. Ich spüre meine Füße auf dem Boden oder alle Körperteile, die in Kontakt mit dem Stuhl sind, auf dem ich sitze. Dann beobachte ich meine Atmung. Mehrmals am Tag gibt es in meinen Gruppen diesen Moment, wo ich sage: „Schließe die Augen und geht in eure Füße. Lasst alle Spannungen los, lasst die Lippen leicht geöffnet und beobachtet die Atmung.“

So kehre ich zurück in meinen Körper, in mein Haus, und kann ins Innere gehen. Dann kann ich von innen beobachten, was außen geschieht. Dieses Im-Innen-Sein ist mein größter Schatz.

Der Weg nach innen geht also über den Körper?
Durch den Körper und hauptsächlich durch das Herz. Für mich heißt „lieben“ empfangen. Ich mache oft diese Übung:

Ich gehe in meine Atmung. Einatmen ist empfangen in meinem Herzen. Beim Ausatmen schenke ich über den Solarplexus. Ich empfange und ich schenke. Ich sage, dass ich schenke, weil geben eine Machtübernahme über den anderen ist. Im Schenken überlässt man dem anderen die Wahl, ob er es annimmt oder nicht. Schenken ist ein bedingungsloses Geben. Diese Bewegung von Ein- und Ausatmen ist enorm wichtig, damit es innerlich lebendig ist. Es ist eine Bewegung der Energie, des Bewusstseins, die durch die Atmung verteilt wird.

Wir leben ja in einer Zeit, wo der Körper eine geradezu kultische Verehrung erfährt. Es wird eifrig trainiert, um den Körper zu formen. Man darf keinen Bauch haben, muss schön sein – der Körper soll ein schöner Tempel sein…
Ich habe da sehr viele Zweifel – zunächst mal, weil ich selbst dem Ideal nicht entspreche! (lacht) Ich habe etwas Bauch und mache keinen Sport mehr und mein Körper zeigt auch Zeichen von Erschöpfung. Ich habe immer Zweifel gehabt an „schönen Kirchen“, an „schönen Häusern“. Für mich ist nicht das Haus das Wichtigste, sondern das, was sich im Inneren abspielt.

Und ich habe so viele Leute erlebt, die einen schönen Körper haben – nur wenn ich genau hingucke, putzen sie ihren Körper nicht für sich selbst so heraus, sondern um Macht über andere zu haben. Die Macht der Verführung und auch das Schwert der Kritik: „Ich mache Sport…UND DU? DU HAST JA EINEN BAUCH!!!“ Aber das ist mein Bauch, das ist mein Tempel und ich fühle mich wohl damit. Viele wollen einen wunderschönen Körper, um sagen zu können: „Du hast aber keinen schönen Körper!“

Auch für mich ist der Körper wichtig – er ist mein Fahrzeug in diesem Leben. Und wenn mein Fahrzeug schon ein paar Kratzer hat und nicht so schick ist wie ein brandneuer Ferrari, ist das für mich kein Problem. Entscheidend ist doch der Fahrer und nicht das Fahrzeug.

Für dich ist der Körper vor allem das Tor nach innen?
Ja, natürlich. Es ist natürlich auch klar, dass es schwer ist, nach innen zu gehen, wenn ich zu sehr vom Außen bestimmt werde. Wenn ich nur noch ans Essen, Drogen und Alkohol denken kann. Ich sehe den Körper als eine Brücke zwischen innen und außen. Wenn ich auf dieser Brücke zu viele Hindernisse aufbaue, dann wird es schwierig, in meinen inneren Raum zu kommen. Aber die Hindernisse können auch ganz anderer Natur sein. Du sagst zum Beispiel: „Als spiritueller Mensch muss ich Vegetarier sein – also werde ich ab sofort Vegetarier, damit ich mehr nach innen gehen kann…“ Dann hast du ein neues Hindernis geschaffen, auch wenn es diesmal unsichtbar ist: dein spirituelles Ego! Und das ist sicher ein genauso großes Hindernis wie Drogen oder Alkohol. Verstand und Ego sind einfach die großen Manipulatoren, die ständig Situationen schaffen, die mich ins Außen ziehen. Je mehr ich wirklich mit meinem inneren Raum verbunden bin, desto weniger haben Verstand, Ego und das Außen Macht über mich.

Das Ego liebt also klare Regeln: „Du musst Vegetarier sein! Du musst 3 Mal am Tag meditieren!“?
Nein, der entscheidende Unterschied ist etwas anderes: Bin ich Vegetarier für mich oder bin ich es, um etwas nach außen zu demonstrieren? Meditiere ich für mich oder um anderen zu zeigen: „Ich bin ein großer Meditierer…“?

Es gibt diese schöne Karte im Osho-Tarot mit dem Mann, der unter dem Baum meditiert, und dem anderen, der singt und tanzt. Der alte Meditierer fragt den Weisen, wie viele Anstrengungen denn noch nötig seien, um endlich erleuchtet zu werden. Als der dann sagt „noch drei Leben“, flippt der Alte aus vor Wut. Während der Gitarrenspieler einfach glücklich ist mit seinem Leben und es gar nicht schlimm findet, dass er noch tausende Leben durchlaufen soll. Das ist die ganze Geschichte der falschen Spiritualität. Und natürlich kann das Gegenteil genauso wahr sein, wenn nämlich der Gitarrenspieler nur für die anderen spielt, um zu zeigen, wie frei er ist und wie gut drauf. Die entscheidenden Worte sind für mich: Ich tue es für mich – nicht für oder gegen die anderen. Und wenn ich es für mich mache, dann ist mir das Bild, das ich nach außen abgebe, egal. Man sagt mir ja öfters, dass ich ein Rebell sei, weil ich keine Kompromisse mache. Dabei mache ich auch manchmal Kompromisse, aber wenn ich sie mache, dann mache ich sie für mich. Und wenn ich Rebell bin, dann nicht gegen die anderen, sondern für mich.

War es dir eigentlich immer egal, was die anderen über dich denken?
Nein – das ist nach und nach gekommen. Dennoch hatte ich schon als Kind diese Dimension, dass die anderen mir nicht so wichtig waren. Aber natürlich brauchte ich auch Anerkennung und wollte geliebt werden – und manchmal brauche ich das heute auch noch.

Wann hattest du denn zum ersten Mal in deinem Leben das Gefühl, wirklich bei dir zu sein, zuhause zu sein?
Das war am 11.12.1981. Der 11.12. war ja Oshos Geburtstag, aber ich kannte ihn damals noch nicht. Ich hatte an diesem Tag einen „Unfall“, wo ich so in meinem Inneren war, dass es keine Grenze mehr zwischen mir und dem Außen gab und auch keine Grenze zwischen mir und der Zeit. Dieser Zustand dauerte die ganze Nacht und erst später, als ich Osho traf, habe ich erfahren, dass das ein Satori war. Das war meine Initiation, denn damals habe ich wirklich erfahren, was es heißt, bei sich zu sein. Wobei das eigentlich das falsche Wort ist, weil es auch kein „sich“ mehr gibt, sondern alles eins ist. Seither weiß ich, dass es diesen Raum in meinem Haus gibt und ich liebe es, in diesen Raum zu gehen. Aber der Raum ist immer noch in meinem Haus – vielleicht wird er eines Tages so groß sein, dass es keine Mauern mehr in diesem Hause gibt, also auch kein Haus mehr, kein Außen und kein Innen. Vielleicht ist es das, was man Erleuchtung nennt.

Dein erstes Satori kam über dich wie ein Unfall?
Ja, absolut. Ich betrieb damals mein eigenes Restaurant und hatte sogar einen Michelin-Stern! Von der spirituellen Welt wusste ich rein gar nichts. Deswegen glaubte ich zunächst, ich sei verrückt geworden. Ich hatte dann das Glück, auf einen Arzt zu stoßen, der das richtig einordnen konnte. Wir haben dann einige Jahre zusammengearbeitet – durch ihn bin ich Heiler geworden, weil er mir seine Patienten schickte. Irgendwann habe ich dann mein Restaurant geschlossen, weil ich spürte, dass die Arbeit als Heiler mein Weg war. Auch wenn ich die Küche sehr geliebt habe – so wie ich alles geliebt habe, was ich in meinem Leben gemacht habe.

Geht es bei deiner Arbeit als Heiler auch darum, nach innen zu gehen und bei sich zuhause zu sein?
Absolut! Man sieht ja oft nur die körperliche Heilung, aber die innere Heilung ist doch mindestens so wichtig. Wobei man das Innere nicht heilen kann, weil es gar nicht krank werden kann. Wie soll man eine Leere heilen? Wie soll man eine Leere transformieren? Für mich ist die wahre Heilung, diesen inneren Raum zu entdecken. Das ist die spirituelle Heilung.

Kürzlich sah ich einen Film über den genialen Physiker Stephen Hawking. Er leidet ja seit seiner Jugend an ALS und sitzt im Rollstuhl – sein „Haus“ ist also wirklich schwer beschädigt. Man hat ihm schon vor 50 Jahren prophezeit, dass er nur noch wenige Jahre zu leben habe. Doch er lebt immer noch. Sein Körper ist nur noch eine ganz fragile Vision, aber sein Inneres hat einen unglaublichen Reichtum. Seine Augen haben eine große Klarheit. Ich bin diesem Mann ja nie begegnet, aber ich kann sein Inneres spüren. Er hat eine große innere Dimension entdeckt und deswegen ist er viel heiler als viele andere, die nur einen schönen Körper haben. Für mich ist er ein großer Spiritueller!