Beziehungen

Eine Beziehung ist eine für die Kommunikation mit anderen Menschen notwendige Energie. Sie ist auch unentbehrlich dafür, dass der Mensch in seiner Individualität wachsen kann. Alle Beziehungen schaffen ein Paar.

Ein Paar besteht aus zwei Individuen, die einen Teil ihres Lebens miteinander teilen, um individuell zu wachsen.

In allen Beziehungen gibt es Prozesse, die immer wieder dem gleichen Schema folgen. Ich sage bewusst, in allen Beziehungen, egal ob zwischen Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts oder in Familien-, Freundschafts- oder Geschäftsbeziehungen.

1. Die Begegnung
Das kann die Geburt einer großen Geschichte sein.

Zwei Menschen begegnen sich zum ersten Mal und spüren eine gegenseitige physische, psychische oder spirituelle Anziehung.
Zum besseren Verständnis der verschiedenen Beziehungsarten hier das Beispiel einer Beziehung:  (A) und (B) gehen ihre Wege in Richtung ihrer Ziele. Wenn sie sich begegnen, teilen sie einige Momente ihres Lebens miteinander und gehen dann wieder ihrer Wege. Jede Beziehung hat eine variable, unbefristete Dauer, die von einigen Minuten bis zu mehreren Jahren reichen kann.
Nach jeder Beziehung haben beide die Wahl, entweder ihren Weg mit dem anderen fortzusetzen oder ihren eigenen Weg ohne den anderen weiter zu verfolgen.

2. Die sexuelle Beziehung
Diese Beziehung findet auf der animalischen, instinktiven Ebene statt.

Eine sexuelle Beziehung nicht zwangsläufig eine Sex-Beziehung. Sex ist eine fleischliche Beziehung zwischen zwei Wesen. Die sexuelle Beziehung mit einem Baby besteht jedoch nur aus Berührung, Zuneigung, Aufmerksamkeit, Streicheln, was natürlich nichts mit der sexuellen Beziehung zwischen Erwachsenen oder einer Sex-Beziehung zu tun hat.
In unserem Beispiel entscheiden sich (A) und (B), sich in Bezug auf ihre Zuneigung, ihre körperliche Anziehung, ihre Wünsche und natürlich den Geschlechtsakt tiefer zu begegnen.

3. Die romantische Beziehung
Das Leben wird durch die rosarote Brille gesehen.

Die romantische Beziehung ist die kindliche Beziehung der Jugend (der Märchenprinz). Alles ist perfekt. Man sieht die Fehler, die Unvollkommenheit des anderen nicht. Er ist perfekt, er ist der Mann meines Lebens, sie ist die Frau meines Lebens, es gibt keine Probleme in der Beziehung. Wir schweben auf einer Wolke (der Traum).
In unserem Beispiel haben (A) und (B) viel Vergnügen in ihrer sexuellen Beziehung und verlieben sich. Der Traum von der gemeinsamen Zukunft beginnt. Ihre Liebe ist blind, sie sind in dem, was sie glauben, unschuldige Jugendliche. Für sie ist es die perfekte Liebe.

4. Die Übergangsbeziehung
Man akzeptiert den anderen, wie er ist, oder man verlässt ihn.

Die romantische Beziehung ist vorüber, der Traum ist vorbei, man ist nicht mehr blind, der andere ist nicht perfekt, man sieht seine Fehler, seine Unvollkommenheit. Vielleicht ist es doch keine gute Beziehung, vielleicht ist die Zukunft doch nicht so rosig, und vielleicht muss man das System verändern, um gemeinsam weitermachen zu können und die Zukunft zusammen zu planen, aber dafür müsste man in einen therapeutischen Modus wechseln und den anderen so akzeptieren, wie er ist.
(A) und (B) fangen an, die Schwächen des anderen zu sehen. Die Konflikte und Streitigkeiten beginnen, die Beziehung wird nicht mehr akzeptiert, es ist eine Liebe mit Bedingungen. Trotzdem sind sie weiter liiert, sie wollen ihre Beziehung weiterführen, aber dafür müssen sie Kompromisse machen und akzeptieren, sie müssen sich selbst in Frage stellen und ihr Verhalten ändern, ohne die Situation zu verändern. Das ist das Stadium der Selbstanalyse und der Therapie.

5. Die Liebesbeziehung
Lieben bedeutet, den anderen so wie er ist bedingungslos zu empfangen.

Beide Personen bleiben in ihrer individuellen Energie und lassen sich in den Momenten der Begegnung ganz und gar auf den anderen ein, geben sich ihm hin. Die beiden bleiben unabhängig und in ihrer eigenen Verantwortung.
(A) und (B) entwickeln sich individuell und schreiten gemeinsam voran, jeder hilft dem anderen, seinen Weg zu verwirklichen. Trotzdem mag ihr Weg nicht absolut perfekt sein. Sie werden hin und wieder Prüfungen bestehen müssen und ihre Liebe wird ihnen dabei helfen, diese leichter zu meistern. Das gehört zu den Unwägbarkeiten des Lebens eines Paars. Das ideale, das symbiotische Paar gibt es nicht, dennoch können beide Partner ihren Weg gemeinsam gehen.

6. Die tantrische Beziehung
Dies ist die spirituelle Beziehung schlechthin.

Der Austausch zwischen den beiden Partnern findet nicht nur auf physischer und psychischer Ebene statt, sondern auch auf der Ebene der Gesamtexistenz.
(A) und (B) sind in der optimalen Beziehung angekommen, in der das Paar eins mit der Existenz ist. Die Verschmelzung vollzieht sich nur in den wenigen Momenten, in denen beide Partner mit der Existenz und dem Göttlichen eins werden. Osho nannte dies Mahamudra.

Während der 4. Übergangsbeziehung können verschiedene Schwierigkeiten auftauchen:

Toleranz

Toleranz ist für das Überleben eines Paares unabdingbar. Toleranz bedeutet, den anderen bedingungslos so zu akzeptieren, wie er ist, und bewusst Kompromisse zu schließen. Der schönste Schlüssel für Toleranz ist der Weg des Herzens: empfangen, anerkennen, akzeptieren, transformieren.

Kompromisse

Seine eigenen Kompromisse zu akzeptieren, bedeutet sich selbst zu respektieren und zu lieben. Ein bewusster Kompromiss ist eine Entscheidung. Einen Kompromiss hinzunehmen bedeutet, sich selbst nicht zu akzeptieren und sich zu begrenzen. Wenn wir einem Kompromiss zustimmen, dann ist das unsere eigene Verantwortung, auch dann, wenn dieser Kompromiss nicht unseren Wünschen entspricht. Auf keinen Fall darf der gewählte Kompromiss gegen den anderen verwendet werden. Das nenne ich einen verantwortungsvollen und bewussten Kompromiss. In einer Paarbeziehung ist ein bewusster Kompromiss unabdingbar, um Harmonie herzustellen oder zu erhalten.

Das Ping-Pong

In einer konfliktvollen Beziehung nähren sich zwei Personen von der Negativität des anderen, um einen Konflikt am Leben zu erhalten. Der Verstand hat, wenn er das Negative empfängt, einen triftigen Grund, um sich zu verteidigen oder den anderen anzugreifen.

Ping-Pong bedeutet, dass ich den Ball des anderen erhalte, ping, und zurückgebe, pong. Ich bekomme ihn ein zweites Mal, das Ping ist stärker, und schicke ihn ein zweites Mal zurück, das Pong ist noch stärker. Das Ganze verstärkt sich mehr und mehr, bis es nicht mehr geht. Die Unbewusstheit sowohl des Aussendenden wie des Empfangenden bedient sich aller Möglichkeiten, um ihre Aufgabe zu erfüllen, indem sie verletzende und sogar beschuldigende Worte äußert oder entsprechend handelt.

Die Lösung besteht darin, damit aufzuhören, Macht über den anderen auszuüben, die Waffen niederzulegen und den Schläger nicht mehr in die Hand zu nehmen, also den Ball nicht mehr zurückzuschlagen. Der Widersacher ist dann schnell entwaffnet und aller Argumente beraubt. Akzeptiert, dass der andere Wut und Hass in sich hat. Akzeptiert das, was ihr verbal empfangt. Der Aggressor wird verstehen oder flüchten, ihr aber seid ein Wesen der Liebe.

Ein anderes Beispiel, in dem A den Weg von B beschreitet

Dies bedeutet, dass die Person A ihre Individualität, ihre Autonomie, ihre Persönlichkeit, ihren Weg verloren hat. Sie wird abhängig, sie wird zum Schatten ihres Partners, sie tut nichts für sich selbst, sie vergisst sich. In vielen religiösen Systemen muss die Frau ihrem Mann folgen. Das ist einer der Gründe, warum die Frau unterwürfig ist, warum sie ihre Identität, ihre Dimension und ihre Kreativität verliert. Aber auch das Gegenteil, nämlich dass der Mann der Frau folgt, ist möglich.

Das Paar hat sich hier weder für die Trennung noch für mehr Engagement entschieden. Stattdessen sind sie in eine Beziehung der Kompensation, der Abhängigkeit, der Konditionierung, der Kultur, der Anhaftung, der Interessen etc. eingetreten. Sie wollen nicht die Verantwortung für sich selbst übernehmen und erwarten von dem anderen, dass er ihren Mangel ausgleicht. Heutzutage gehen viele Menschen eine solche Beziehung ein, sie sind vom Partner abhängig und leiden.

Wenn ein Paar Kinder hat und sich in diesem System befindet, dann erwarten sie auch von den Kindern die Befriedigung ihres eigenen Mangels. Die Kinder sind jedoch nicht auf die Welt gekommen, um die Bedürfnisse ihrer Eltern zu befriedigen. Es ist vielmehr an den Eltern, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu befriedigen. Aber in diesem System sind die Eltern so bedürftig, dass sie nicht imstande sind, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu befriedigen. Dieses Paarsystem ist nicht authentisch, es ist die Basis für Macht und Unterwerfung.

Diese Abhängigkeitsbeziehung ist die Fortführung der Übergangsbeziehung. Wenn A und B beschließen, sich in Frage zu stellen, dann können sie die Beziehung der Liebe entdecken.