Inneres Kind, Bedürfnisse
Manish, wo besteht der Unterschied zwischen innerem und äußerem Kind?
Man muss es schon mal gut verstehen, was das heißen soll, das innere Kind. Prinzipiell gibt es da immer eine Verwechslung mit dem inneren und dem äußeren Kind.
Das äußere Kind, ist das tatsächliche Kind. In eurer Kindheit, als ihr klein ward, ward ihr einfach Kind. Dieses Kind hatte seine Entwicklung und Probleme.
Wenn wir vom inneren Kind sprechen, dann ist es das Kind, das den Erwachsenen ab seinem 21. Lebensjahr begleitet. Bis zum diesem Zeitpunkt gibt es das äußere Kind, das ab dem 21. Geburtstag zum Erwachsenen wird. Der Erwachsene braucht es dann nicht mehr, geliebt zu sein. Aber das innere Kind, dessen Bedürfnisse in der Kindheit des äußeren Kindes nicht befriedigt wurden, hat das Verlangen geliebt zu werden.
Wie entwickeln wir uns vom Kind zum Erwachsenen?
In der menschlichen Entwicklung bleibt der Mensch bis zu seinem 20. Lebensjahre ein Kind. Ab dem 21. Lebensjahr ist er erwachsen.
20 Jahre lang sind wir ein Kind. Natürlich, wenn man beginnt sich zu einem Jugendliche zu entwickeln, ist das Kind schon weniger bedeutend. Aber dieses Kind, dieser Jugendliche wächst und entwickelt sich weiter. Unser Gehirn braucht 21 Jahre, bis es sein biologisches Wachstum abgeschlossen hat.
Unter den Säugetieren ist es der Mensch, der die längste Kindheit hat. Er benötigt 21 Jahre, um in die Welt der Erwachsenen zu gehen. Dann benutzt er sein in der Kindheit erworbenes Potential, um sein Leben als Erwachsener zu realisieren bzw. zu verwirklichen. Das soll aber nicht heißen, dass sich das Gehirn danach nicht mehr entwickelt. Ein Leben lang entwickelt es sich ständig weiter. Solange das Gehirn funktionsfähig ist und man nicht krank oder senil wird, nährt es sich mit Wissen und Kenntnissen.
Welche Rolle spielen die Eltern?
Ein Kind ist bis es 21 Jahre alt ist, dabei seine „Ausbildung“ zu machen. Das ist ein natürlicher Vorgang. Das Kind wächst ständig und es lernt. Und dieses Kind wird von den Erwachsenen unterstützt.
Die Erwachsenen heißen oft Eltern – Vater und Mutter. Wenn die Eltern wirkliche Erwachsene sind, dann erfüllen sie ihre Rolle als Erwachsene und natürlich die Rolle als Vater und Mutter.
Das soll heißen, um Vater oder Mutter zu sein, braucht es auch einen Mann und eine Frau. Anders gesagt, ein erwachsener Vater ist nicht immer automatisch ein reifer Mann und eine erwachsene Mutter nicht automatisch eine reife Frau. Das liegt daran, weil auch erwachsene Menschen ihre eigene Entwicklung nicht unbedingt bis zum 21. Lebensjahr abgeschlossen haben. Sehr wahrscheinlich haben auch sie nicht alles bekommen, was sie in ihrer Kindheit gebraucht hätten. Jetzt wird es schwierig für den Erwachsenen, die Rolle des Vaters oder der Mutter zu übernehmen. Das ist deswegen sehr schwierig, weil sie keine wirkliche Vorstellung davon haben, was es bedeutet ein reifer Mann oder eine reife Frau zu sein.
Welche Rolle spielt hierbei das Bewusstsein der Eltern?
Wenn Menschen bewusst sind, dann sind sie, wenn sie Eltern werden, schon einmal Mann und Frau. Sie haben ihr Potential, das sie dem Kind schenken können. Wichtig zu wissen ist auch, dass es grundsätzlich nicht wirklich die Eltern sind, die das Kind machen. Die Eltern, die machen miteinander Liebe. Wir müssen uns von dieser Vorstellung „ein Kind zu machen“ verabschieden. Das Sperma trifft die Eizelle und Mutter und Vater müssen es nur geschehen lassen. Das Kind entsteht dann ganz von alleine. Danach geht es weiter. Sie werden sich um das Kind kümmern. Glücklicherweise sind Eltern nicht in der Lage, ein Kind nach ihren eigenen Vorstellungen zu machen.
Welche Bedürfnisse hat ein Kind?
Kinder haben Bedürfnisse. Selbst unbewusste Eltern wissen, was das Kind braucht. Aber neben körperlichen Bedürfnissen hat es auch psychische, psychologische und energetische Bedürfnisse. Die vier wichtigsten Bedürfnisse des Kindes sind Zuwendung, Anerkennung, Liebe und Sicherheit.
Was meinst du damit genau?
Zuwendung heißt, Zuwendung zu empfangen. Wir verbinden Zuwendung mit in den Arm nehmen und streicheln. Aber es geht sehr viel weiter als das. Es geht um Aufmerksamkeit, Austausch und spielen, ob Fußball oder mit der Puppe. Das ist notwendig für das Kind, denn es gibt ihm ein Bezug mit und zu dem anderen. Durch Austausch kann es in einen individuellen Bezug zu den anderen treten.
Ein weiteres Bedürfnis ist Anerkennung. Das Kind ist „leer“. Es braucht, dass es eine Identität bekommt. Diese Identität wird nicht dort aufhören, wo sein Name und Vorname ist. Es muss für sich selber wissen und lernen, wer es ist. Und ein Kind weiß nicht, wer es ist. Es ist eben „leer“.
Um zu sehen, wer es ist, braucht es einen Spiegel. Uns geht das genauso. Ohne einen Spiegel würden wir nie unsere Augen sehen. Alle können unsere Augen sehen, nur wir selber nicht. Niemand ist fähig seine eigenen Augen zu sehen. Das Kind braucht also die anderen als Spiegel, um sich zu sehen. Für die Anerkennung braucht es, das die Eltern Spiegel sind. Und es braucht Bewusstsein bei den Eltern, das sie als Spiegel fungieren.
Das bedeutet auch, dass sie das Kind so sehen, wie es tatsächlich ist und nicht so, wie sie es gerne hätten. Sie müssen das Kind akzeptieren, wie es ist, mit seinen Qualitäten und mit seinen Schwächen, positiv wie negativ. Das ist Anerkennung.
Und das dritte Bedürfnis?
Das dritte Bedürfnis des Kindes ist Sicherheit. Es muss spüren, dass seine Eltern stark sind und da sind. Es muss das Gefühl entwickeln, sich auf sie verlassen zu können. Beispielsweise wenn das Kind ein Problem hat und es weiß, dass es mit Vater oder Mutter darüber sprechen kann. Das Kind kann mit ihnen darüber reden und sie geben ihm Ratschläge. Ratschläge von einem wahren und bewussten Erwachsenen. Das ist Sicherheit.
Liebe ist das vierte Bedürfnis. Das Kind braucht es geliebt zu werden. Es muss Liebe empfangen. Das Kind braucht es, von seinen Eltern geliebt und empfangen zu sein, so wie es ist.
Und wenn die Bedürfnisse des Kindes in seiner Kindheit befriedigt werden, entwickelt es sich.
Wenn wir auf Erwachsene stoßen, die bewusst sind und diese vier Bedürfnisse des Kindes befriedigen, ist das perfekt. Das Kind wird mit diesen Eltern ein gutes Potential entwickeln. Das Kind wird geliebt sein, es wird sich geliebt fühlen. Es wird Zuwendung empfangen, es wird sich anerkannt fühlen und spüren, dass Sicherheit da ist. All das wird ihm von seinen Eltern gegeben, wenn sie es selbst besitzen.
Es wird dann in sein Leben gehen, sein Leben leben und all seine Werkzeugen, Chance und Risiken nutzen. Es wird ein Erwachsener werden, der all diese Geschenke seiner Eltern besitzt.
Dieser Erwachsene wird dann wieder Kinder haben und einen Partner oder Partnerin finden, die sein Leben ergänzt. Diese „Ergänzung“ wird sein Leben reicher machen. Sie werden ein Kind haben, das eine zusätzliche Ergänzung ist. Sie werden die Rolle als Mutter und Vater für sich annehmen und auch daran werden sie wachsen.
Klingt einfach, aber was läuft schief?
Das große Problem ist, dass wir selber Eltern hatten, die mit 21 Jahren nicht fertig waren. Unsere Eltern haben nicht ihr Potential bekommen z.B. in Bezug auf Zuwendung. Sie fühlten sich nicht geliebt. Sie waren oder fühlten sich nicht anerkannt. Und sie haben auch nicht die Sicherheit um sich herum gefühlt, die sie gebraucht hätten. Natürlich fehlt dann etwas…
Welche Möglichkeiten hat ein Erwachsener, wenn er merkt, was schiefgelaufen ist?
Ein Mensch, der bis zum 21. Lebensjahr nicht das bekommen hat, was er gebraucht hätte, hat diesen Teil seiner Entwicklung nicht abgeschlossen. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten. Die erste ist, er wird sich selber seine Bedürfnisse befriedigen. Er wird sich um sich kümmern, sich Sicherheit geben, sich selber anerkennen und so reifen.
Oder als zweite Möglichkeit wird er sich jemanden suchen, der seine Bedürfnisse kompensiert. Er wird Menschen und Situationen um sich herum suchen, die sein Bedürfnis nach Zuwendung, Liebe, Anerkennung und Sicherheit befriedigen, sei es in der Partnerschaft, auf der Arbeit oder bei Freunden.
Wenn wir unsere Bedürfnisse durch andere befriedigen, was macht das mit uns?
In dem wir im Außen, also bei anderen Menschen versuchen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, werden wir wieder zu einem kleinen Jungen oder Mädchen. Wir werden einen Papa oder eine Mama suchen. Das geschieht sehr schnell und ist natürlich.
Wenn wir dann aber ein eigenes Kind bekommen, werden wir unbewusst von dem Kind verlangen, dass es die Rolle der Eltern ausfüllt. Ein Kind kommt auf die Welt, es muss sofort die Bedürfnisse seiner eigenen Eltern befriedigen. Das Kind wird damit zum Kompensator seiner Eltern. Ständig machen wir mit diesem System weiter und wenn dieses Kind dann groß ist, 21 Jahre alt, hat es wenig Chancen ein kompletter, vollständiger Erwachsener zu werden.
Wie durchbrechen wir dieses System?
Man muss mit diesem Kreislauf der Inkompetenz der Eltern aufhören. Das geschieht, in dem der Erwachsene seine Achse – seinen eigenen Wert – wieder finden. Wenn ich meinen eigenen Wert wieder finde, brauche ich es nicht mehr empfangen zu werden. Ich brauche es nicht mehr von anderen anerkannt zu sein und deren Zuwendung zu bekommen. Ich brauche dann auch nicht die Sicherheit der anderen.
Wenn wir nach Innen gehen, berühren wir unser inneres Kind. Es gibt uns die Antwort, dass man sich selber lieben muss.
Dieses innere Kind hat seine Bedürfnisse, die in der Kindheit des „äußeren“ Kindes nicht erfüllt wurden. Als Erwachsener versuchen wir diese Bedürfnisse des inneren Kindes unbewusst durch Andere zu befriedigen. Als Erwachsener gehen wir aber so in ein kindisches System – das System des inneren Kindes.
Wir haben eben über die Bedürfnisse des Kindes gesprochen. Hat der Erwachsene auch Bedürfnisse?
Ja, der Erwachsene hat auch Bedürfnisse. Er hat das Bedürfnis zu lieben. Er braucht es anzuerkennen, Zuwendung zu schenken und Sicherheit zu geben. Das sind die vier Bedürfnisse eines Erwachsenen.
Wem kann der Erwachsene, all diese Bedürfnisse schenken?
Schon mal seinem inneren Kind und prinzipiell Kindern. Und weil er erwachsen ist auch den anderen Menschen. Er schenkt seinem inneren Kind und den anderen Anerkennung. Sind es Erwachsene, dann brauchen sie die Anerkennung eigentlich nicht. Sie geben sie sich ja selber. Aber auch wenn sie es nicht brauchen, man kann es ihnen trotzdem schenken. Es ist nicht verboten zu schenken.
Der Erwachsene der es empfängt, nimmt die Anerkennung als Erwachsener an und kann sich damit nähren. Das soll heißen, er empfängt diese Anerkennung – für sich. Diese Anerkennung schenkt er dann seinem inneren Kind. Das ist alles.
Kann da auch was schieflaufen?
Ja, da gibt es eine Gefahr. Diese entsteht, wenn wir nicht mit dem Herzen empfangen. Denn mitunter ist der, der empfängt das eigene Ego und der Verstand. Dann machen wir viele Dinge, um anerkannt zu werden. Wir machen Politik, halten Vorträge, werden Therapeut. Wir machen uns dann zu jemand Wichtigem. Es ist dann mein Ego, was empfängt.
Aber ich kann auch einfach nur empfangen, mit dem Mann, der Frau, der ich bin. Ich empfange dann die Liebe der anderen und schenke sie meinem inneren Kind. Und wenn mein inneres Kind total anerkannt ist, brauche ich es, der Erwachsene, nicht mehr anerkannt zu sein.
Was heißt das genau?
Wenn wir etwas machen, sollten wir es nicht machen, um von anderen anerkannt zu werden. Wir machen es für das Vergnügen, was wir haben, die anderen zu empfangen. Mach es für dich, nicht für die anderen. Weil du es liebst, es zu tun und du es liebst, es zu teilen. Dann bist du in deiner Kraft und der Erwachsene wird wachsen. Aber suche nicht nach einer Anerkennung.
Zwischen dem, was die anderen einem schenken und dem, was man selber empfängt, wo ist da der Unterschied?
Es gibt eine Trennung. Diese Trennung nennt sich Existenz. „Wenn ihr mir etwas schenkt, schenkt ihr es der Existenz und die Existenz schenkt es dann mir. Das was ihr mir schenkt, ist vielleicht nicht die gleiche Sache, die ich empfange.“ Das ist wichtig zu verstehen.
Anders gesagt, alles was man selber empfängt, kommt aus der Existenz heraus?
Ja, ich empfange es alles für mich. Es ist die Existenz und nicht der Andere, z.B. mein Partner, der es mir geschenkt hat. Die Existenz kann ich nicht mit meinem Ego oder Verstand empfangen, denn Ego und Verstand sind immer in Bezug auf die anderen oder etwas Anderem.
Was bedeutet das?
Also wenn ich euch, also den anderen – und nicht die Existenz – empfangen habe, ist es mein Ego, das es empfängt. Und mein Ego wird mir dann einen falschen Wert geben. Wenn es aber dein Herz ist, das empfängt, dann wird es direkt in dein inneres Kind gehen. Denn das Herz ist euer inneres Kind.
Was könnte mir die Existenz denn schenken?
Die anderen haben das Recht, euch alles zu schenken. Wenn sie euch etwas schenken, z.B. Komplimente, Kritik, Ignoranz, Wut, Freude, und noch viel mehr, dann geht das alles erst mal in die Existenz. Und die Existenz schenkt mir dann, was ich brauche. Sie wird mir exakt das schenken, was ich benötige um zu wachsen. Wir sollen begreifen, dass es nicht die anderen sind, die da schenken, sondern die Existenz ist es, die euch beschenkt.
Gib mal ein Beispiel…
In diesem Moment schenke ich der Existenz eine Sache, einen Vortrag, ein Interview. Ihr könnt denken was ihr wollt, von dem was ich sage. Das kann mich nicht stören, weil ich es der Existenz schenke. Ich schenke der Existenz einen Satz und sie gibt jedem von euch eine andere Übersetzung. Jede Person wird eine andere Version empfangen. Deshalb kann ich den anderen nicht verurteilen. Das was ich – also der Andere – euch sage, ist vielleicht nicht das, was ihr verstanden habt. Anders gesagt, das was ihr versteht, ist nicht das, was ich gesagt habe.
Hast du noch ein anderes Beispiel?
Wenn man zu einer jungen Frau sagt:„Sie sind schön.“, dann wird sie sehr wahrscheinlich „nein“ sagen.
Sagt man ihr, sie sei hässlich, ist die Wahrscheinlichkeit groß, eine Ohrfeige zu erhalten. „Du bist schön, du bist nicht schön …“ Was hat sich in der Schönheit für sie verändert? Was hat das in ihr verändert? Nichts, denn es ist die gleiche Person.
Das verstehe ich…
Von „Außen“ gibt man ihr einen Wert. Man gibt ihr sogar zwei Werte. Aber wenn da tausend Personen sind, hat sie auf einmal tausend Werte oder besser: Bewertungen. Und dennoch ist sie immer die gleiche Person. Wir machen uns abhängig von der Bewertung anderer.
Euer Wert ist aber in eurem inneren Kind. Anstatt auf die anderen zu hören, hört auf euer inneres Kind, das euch sagt „ich bin schön“. Alle Kinder finden sich schön, weil sie schön sind. Das innere Kind ist schön und du bist schön. Jetzt habe ich meine Identität: schön.
Was ist eine Identität?
Viele Menschen hören ein ganzes Leben lang einen Namen und sie identifizieren sich mit diesem Namen, dieser Qualität, dieser Schwäche, diesem von außen gegebenen Wert. Man gibt dem Kind eine Anerkennung, die nicht seine ist. Das ist wichtig zu erkennen. Wie soll es denn seine eigene Identität finden, wenn es von außen eine übergestülpt bekommt.
Das klingt nicht schön…
Deshalb braucht euer inneres Kind euch. Damit ihr es vor dieser Konditionierung schützt. Vergessen wir nicht, wir selber sind das innere Kind. Es hat keinen anderen Vermittler zwischen den anderen und euch, als ihr selber. Wenn euer inneres Kind von anderen anerkannt sein möchte, wird es gezwungen sein, heraus zu gehen. Es ist dann nicht mehr das innere Kind. Das innere Kind ist immer in euch. Es ist das Kind, das ihr ward, was sich nicht fertig entwickeln konnte und was euch braucht.
Wer sucht den nach Liebe und Zuwendung? Das innere Kind oder der Erwachsene?
Wenn wir Liebe und Zuwendung suchen, ist es nicht der Erwachsene der sucht. Es ist noch unser inneres Kind. Der Grund ist, dass der Erwachsene es nicht braucht, geliebt zu werden. Das innere Kind aber braucht es.
Der Erwachsene hingegen braucht es, die anderen zu lieben. Er braucht es, sowohl die anderen als auch sein inneres Kind zu empfangen. Das innere Kind braucht es geliebt zu sein, so wie es ist. Siehst du dein inneres Kind, mit 5, 6 oder 12 Jahren? Und kannst du ihm sagen, dass du es liebst?
Wie weit geht unsere Konditionierung?
Ganz häufig beurteilten wir unser inneres Kind, so wie die Eltern es beurteilt haben. Es ist unfähig, ein Nichtsnutz, ein Dummkopf oder aber wunderbar, sehr, sehr intelligent, überlegen, außergewöhnlich.
Unser inneres Kind nimmt den Wert an, den Andere ihm gegeben haben. Deshalb muss man seinen wahren Wert wieder in sich finden. Wenn man hinschaut, ist man erstaunt, wie viele Qualitäten man hat, die wir ignorieren oder von denen wir glaubten, dass sie gar nicht existieren. Werkzeuge, die wir nie benutzt haben oder wenn dann als Waffen. Werkzeuge sind dazu gedacht, etwas aufzubauen – Waffen dazu, zu zerstören. Ganz oft benutzten wir unsere Werkezuge, um sich selber oder generell alles zu zerstören. Der Meister von alldem ist der Erwachsene.
Was bedeutet das alles für meine Partnerschaft?
Wenn ihr eurem Partner sagt: „Ich fühle mich von dir nicht geliebt“, dann verlangt ihr von dem anderen, dass er eure Bedürfnisse befriedigt.
Der Andere kann euch lieben, er muss euch aber nicht lieben. Wir verlangen von unserem Partner, dass er unsere Bedürfnisse befriedigt. Aber dieses Verhalten macht uns kindisch. Meine Frau wird dann zu meiner „Mutter“ oder mein Mann wird dann zu meinem „Vater“. Nein, wir müssen unsere Bedürfnisse selber befriedigen, sonst sind wir abhängig und frustriert. Wenn euer Partner euch nicht empfängt, dann sollte euch das nicht stören.
Das verstehe ich nicht…
Wenn euer Partner euch nicht liebt, stört es euch nicht. Denn euer Partner ist nicht dazu da, eure Bedürfnisse zu befriedigen. Ihr seid nicht abhängig, von der Liebe und Zuwendung, von der Anerkennung und Sicherheit eures Partners. Ansonsten seid ihr immer abhängig vom Partner und frustriert.
Er ist einfach nur da. Wenn er euch liebt, ist das ein „Plus“ für euch und eure Beziehung. Das ist wichtig, weil, wenn euer Partner euch liebt und ihr euren Partner liebt, seid ihr eine „Ergänzung“ zueinander – das „Plus“. Auch wenn euer Partner euch nicht empfängt (euch nicht liebt), ist es trotzdem eine Ergänzung. Der wahre Austausch in einer Partnerschaft existiert nur in der „Ergänzung“.
Versteht, wie wichtig es ist, sich um sein inneres Kind zu kümmern. Je mehr ihr euer inneres Kind ausfüllt, desto weniger braucht es Zuwendung. Euer inneres Kind und damit ihr, der Erwachsene, werdet weniger von anderen verlangen. Ihr werdet weniger das Bedürfnis haben, von anderen geliebt zu werden. Ihr erwartet weniger Sicherheit von anderen erwarten, weil ihr euch selber Sicherheit gebt. Je mehr Zuwendung ihr euch selbst gebt, euch also mehr um euch selber kümmert, desto weniger werden ihr das von anderen erwarten und verlangen.
Und wird der Moment kommen, in dem ihr diese Bedürfnisse nicht mehr im Außen sucht, sondern ihr werdet sie in eurem „Inneren“ finden: zu lieben, anzuerkennen, Zuwendung zu schenken und Sicherheit zu geben.
Diese Sichtweise bringt einiges durcheinander in unseren Köpfen. Es gibt da noch alte Konditionierungen, die man löschen muss. Selbst wenn man jetzt in diesem Moment „ja“ sagt, sind die alten Konditionierungen sobald man durch die Tür geht, schon wieder da.
Kann man den Kontakt zu seinem inneren Kind verlieren?
Das ist unmöglich. Erst am Tag deines Todes, wirst du den Kontakt zu deinem inneren Kind verlieren. Du bist dieses innere Kind. Dank der Hilfe des Erwachsenen wird es wachsen und schöner werden. Wenn es aber Narben, Verletzungen, Schmerz oder Trauma beim kleinen inneren Kind gibt, wird es der Erwachsene auch haben. Es liegt also an dem Großen, diese Verletzungen zu behandeln und damit die Verletzungen des inneren Kindes zu heilen. Aber man kann den Kontakt zu seinem inneren Kind nicht verlieren. Es gibt aber Erwachsene, die wollen keinen Kontakt zum inneren Kind. Sie wollen das Kind vergessen, weil es vielleicht traurig war. Weil die Kindheit nicht perfekt war.
Was bedeutet das für das Kind?
Die Erwachsenen wollen ein perfektes Kind. Erwachsene wollen kein schwaches Kind, ein Kind was Schwächen hat. Sie wollen nur ein Kind, was Qualitäten hat. Da ist es sicher, dass die Kinder verlieren werden.
Es gibt keinen Menschen, der perfekt ist. Aber Eltern wollen, dass ihre Kinder perfekt sind. Das sie genauso sind, wie sie selber nicht fähig sind, zu sein.
Was können wir jetzt als Erwachsener tun?
Dein inneres Kind ist da und es wartet auf dich. Es wartet darauf, dass du seine/deine Bedürfnisse erfüllst. Wenn es das Bedürfnis ist, zu spielen, dann spiele, jetzt, du. Schenk das deinem inneren Kind. Mach es für dein Kind. Ein Kind ist spielerisch. Es braucht es spielerisch zu sein. Es braucht es frei zu sein.
Alle Kinder sind frei, spielerisch und sie haben keine Angst. Sie haben nur Angst, weil ihnen die Angst von den Erwachsenen mitgeteilt wird. Kinder tun sich nicht weh. Es sind die Erwachsenen, die ihnen wehtun. Man muss als Erwachsener diesen Raum des Kindes wiederfinden.
Wenn man von Osho saß, konnte man den Meister sehen, aber im gleichen Moment auch das Kind, wirklich das Kind. Er war da und spielte. Osho sagte: „Erleuchtung ist, wenn du deine Kinderseele, die Dimension als Kind, wiederfindest.“
Das gleiche sagte auch Picasso. Er sagte, dass er es niemals schaffen wird, zu zeichnen wie ein Kind. Es sei die wahre Kunst eines Meisters, zu zeichnen wie ein Kind, ohne Konditionierungen, Verstand und Ego. Wenn Ego, Verstand und Gehirn da sind, dann ist sicher, dass man nicht wie ein Kind zeichnen kann. Es ist das Wiederfinden einer anderen Vision …
Welche Vision meinst du?
Es gibt zwei Dimensionen in dir: deine Energie (Potential) und dein Körper.
Wenn du auf die Welt kommst, sind beide auf der gleichen Höhe. Alsbald fängt der Körper an zu wachsen. Deine Energie sollte aber im gleichen Maße ansteigen, wie dein Körper wächst.
Wenn der Körper wächst und das Kind seine Bedürfnisse nicht befriedigt bekommt, hat es einen Mangel. Das heißt, zwischen den beiden Dimensionen gibt es Mangel. Natürlich gibt es dann Leiden, Probleme, Behinderungen.
Eines Tages erkennst du, dass du nicht frei bist in deinem Leben. Also machst du eine Therapie und wirst dir bewusst. Du kümmerst dich um dieses Kind, du wirst dich um dein inneres Kind kümmern. Du wirst es lieben, anerkennen und ihm Zuwendung schenken. Dann gibst du ihm Sicherheit, Kraft und Stärke und wirst ihm sagen, es kann auf dich zählen. Und was macht dann das Kind? Es wächst. Und an irgendeinem Punkt, wirst du es geschafft haben, dass die beide Dimensionen auf der gleichen Höhe sind. Der Körper und dein Kind sind nur noch eins. Und das nennt sich „Realisation“, dann bist du realisiert.
Dein inneres Kind ist immer da, aber es stimmt, dass viele das vergessen. Wir suchen ständig danach, dass der Andere uns befriedigt. Es geschieht ganz unbewusst und wir erfahren nicht, was das innere Kind braucht.
Interview Manish in der OSHO-Times